Veränderungen in der Arbeitswelt

Was wären die Unternehmer ohne die Produktentwickler, ohne die Produzierenden und ohne die Verkäufer?Wer älter ist, weiß, wie sich die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Es wird immer mehr von den Arbeitenden verlangt, da laut Geschäftsführung das Unternehmen ansonsten um seine Existenz fürchten müsste.  Natürlich gibt es Konkurrenzdruck. Wer billiger liefert, kann auf dem Markt wachsen. Und wer dabei nicht mitmacht, ist auf der Verliererstraße.  Aber ebenso geht es meistens darum, dass die Gewinne für die Unternehmensführungen steigen müssen. Dazu kommt in manchen Sparten der Druck aus Niedriglohnländern. Es ist eine Schraube, die sich dreht.

Dieser Beitrag überschneidet sich mit dem Beitrag „Unsicherheit und Stress: Gesellschaftliche Probleme„, ergänzt ihn. Dies zeigt aber auch auf, wie groß das Spektrum eines Themas ist. Und ähnlich ist es in allen Bereichen.

Der psychische Druck auf die Arbeitenden wächst seit Jahrzehnten, es muss in der gleichen Zeit immer mehr geleistet werden. Und wenn dies nicht reicht, dann muss länger gearbeitet werden. Laut einer Untersuchung fallen in Deutschland Milliarden Überstunden an, die nicht vergütet werden.

Mehr arbeiten für weniger Geld, höhere Gewinne für Unternehmen

Da ich (Ralf Henze) einst viele Jahre zur See fuhr, ein Beispiel aus der Seefahrt. Waren Ende der 70er Jahre noch 30 Mann Besatzung und mehr auf deutschen Schiffen üblich, so waren es zehn Jahre später bei manchen Reedereien noch 12 Mann: drei Nautiker, drei Ingenieure, ein Koch und sechs Fachkräfte für Maschinenraum und Deck. Fiel eine Person aus, so wurde es extrem stressig für die anderen. Neben der Erfahrung auf einem Schiff mit 12 Mann, zahlte diese Reederei auch weniger als mir zustand. Eine Klage vor dem Arbeitsgericht gewann ich und erhielt mein Geld, dank Unterstützung der nächsten Reederei. Ich fand eine, die sagte, dass sie nicht unter 21 Mann reduzieren würde, da dies zulasten jedes Einzelnen ginge. Inzwischen sind die Schiffe viel größer geworden, 20 Besatzungsmitglieder sind die Regel.

Kürzlich recherchierte ich nach den Tarifverträgen für Seeleute. Damals wurde Nautikern und Ingenieuren neben dem Gehalt eine Überstundenpauschale von 65 Überstunden bezahlt. Facharbeiter erhielten jede Überstunde vergütet und verdienten mit 120 Überstunden im Monat mehr als der 2. Nautiker oder 2. Ingenieur.  Diese Zahl an Überstunden war gängig, denn auf See arbeitete man auch am Samstag und machte täglich Überstunden. Vor allem die Wachgänger auf der Brücke (ein Nautiker und eine Fachkraft) und im Maschinenkontrollraum (eine Fachkraft) mussten zweimal vier Stunden sieben Tage die Woche am Arbeitsplatz sein.

Heute erhalten alle eine Überstundenpauschale zum Gehalt, die jedoch lediglich einen Wert von 20 Stunden Lohn/Monat haben. Alles darüber hinaus wird nicht bezahlt. Die größte deutsche Reederei, HAPAG-LLOYD, zahlt gar weniger Heuer und keine Überstundenpauschale! Dabei machte Hapag-Lloyd im Jahr 2023 einen Gewinn von 2,5 Milliarden Euro. Während der Corona-Pandemie waren diese noch viel höher.

Boni für Führungspersonal

Überall ist es so, in allen Sparten. Wir erinnern uns an die Bundesbahn vor einem Jahr. Der Konzern hatte im Jahr 2022 ein negatives Ergebnis erwirtschaftet und saß auf einem Schuldenberg von 28,8 Milliarden Euro. Sie stellte eine mehr als fragwürdige Berechnung der Boni an: Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit wurden ausgeklammert. So konnte an Führungskräfte ein dreistelliger Millionenbetrag an Boni gezahlt werden, mindestens fünfstelligen Betrag pro Person. Bahnchef Lutz erhielt 1,26 Millionen Euro zusätzlich zum Grundgehalt von 970.000 Euro. Der Arme! Und zu den streikenden Bahnangestellten, die 12,5% mehr wollten, sagte er, dass ja wohl 10% mehr Lohn reichen würden.  (Zur Recherche…)

Ging man vor vielen Jahren von der Arbeit nach Hause, so war man in der Regel nicht müde durch Stress und es war wirklich Feierabend. Handys gab es noch nicht, sondern nur Festnetztelefonie. Und wenn man außer Haus war, so gab es für Anrufende mit Glück einen Anrufbeantworter. Dann kamen in den 90er Jahren die Handys auf. Man wurde erreichbar für Betrieb und Kunden. Ein Abschalten wurde schwieriger.

Arbeitskräfte mit Jobwechsel-Prämien gewinnen

Nun gibt es einen großen Arbeitskräftemangel in Deutschland, teils dadurch bedingt, dass die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Aber es liegt auch daran, dass Menschen nicht mehr so viel arbeiten wollen oder nicht mehr können. Sie wollen nicht gestresst und müde sein, wenn sie nach Hause kommen.

Arbeitskräftemangel war bisher immer ein Moment, in denen sich die Arbeitsbedingungen verbessern, die Arbeitgeber mit Angeboten kommen. Aber heute ist dies eine Ausnahme.

Wurden früher höhere Löhne und Gehälter, mehr Urlaub oder anderes angeboten, so sind heute einmalige Jobwechsel-Prämien das Lockmittel. Diese sind für die Arbeitgeber billiger als dauerhaft mehr zu bezahlen. Doch wenn dann die Arbeitsbedingungen nicht stimmen, werden die Angestellten bald wieder wechseln. Daher wird dieses Modell der Arbeitgeber wird nicht lang funktionieren, es muss ein Umdenken einsetzen!

Die 4-Tage-Woche

Vielleicht sollten Arbeitgeber sich einmal Betriebe anschauen, die die 4-Tage-Woche eingeführt haben und sie selbst ausprobieren, wo dies möglich ist. In Großbritannien gab es einen Modellversuch, die meisten Unternehmen führen die 4-Tage-Woche fort.

Laut einer im Dezember 2023 in Deutschland gemachten Umfrage sagten von je 100 Befragten, dass eine 4-Tage-Woche die Motivation der Arbeitnehmer erhöhen würde, außerdem wäre es förderlich für die Gesundheit. Das wissen wir alle selbst: wenn wir innerlich ruhiger sind, dann sind wir auch produktiver. Zudem sei dies attraktiver für dringend benötigte ausländische Fachkräfte.

Aber auch bei der Lohnungleichheit muss etwas geschehen. Bei Verzicht auf Boni und einer Reduzierung der teils exorbitanten Gehälter würde mehr in den Kassen für die „einfacheren“ Mitarbeiter zur Verfügung haben.

Wie sagte Marlene Engelhorn, Millionenerbin, die fast ihr ganzes Vermögen verschenkt? „Was wären die Unternehmer ohne die Produktentwickler, ohne die Produzierenden und ohne die Verkäufer?“

Wenn permanent Druck ausgeübt wird, dass Menschen immer mehr für immer weniger Geld arbeiten, so ist dies ein Weg in die Sklaverei, auch in Europa. Wie lange machen wir das mit?

 

Vertiefende Artikel hierzu:

Gewinn von Hapag-Lloyd bricht ein

30.01.2024 – Die Pandemie bescherte Deutschlands größter Containerreederei exorbitante Gewinne – nun pendeln sich die Geschäfte wieder auf Normalmaß ein. Vor diesem Hintergrund kann man Hapag-Lloyd immer noch als Erfolgsunternehmen sehen. Der Betriebsgewinn von Hapag-Lloyd ist im vergangenen Jahr auf 2,5 Milliarden Euro gesunken.

weiterlesen bei Spiegel

Der Heuertarifvertrag für die deutsche Seeschifffahrt

gültig ab Oktober 2024: PDF bei deutsche-flagge.de.

 

Angebote von Arbeitgebern: Tausende Euro Prämie für den neuen Job

08.01.2024 – Immer mehr Unternehmen locken mit Jobwechsel-Prämien. Im Wettbewerb um Fachkräfte wollen sie sich so durchsetzen. Aber warum zahlen Arbeitgeber nicht einfach höhere Gehälter?

weiterlesen bei Tagesschau

 

Trotz Verlusten gibt es Boni für das Führungspersonal der Bahn

18.05.2024 – Wenn ein Unternehmen enorme Verluste einfährt, das Personal schlecht bezahlt wird, darf das Führungspersonal dann hohe Boni erhalten? Recht wenig von der Öffentlichkeit beachtet, war dies gerade der Fall bei der Deutschen Bahn.

weiterlesen auf dieser Website

 

Lust auf Überstunden vs. Vier-Tage-Woche

24.04.2024 – Ein Versandhändler aus Montabaur hat vergangenen Januar die Viertagewoche eingeführt. Die Erfahrungen sind positiv. Trotz 15 Prozent weniger Arbeitszeit, machte der Betrieb bislang 5 Prozent mehr Umsatz.

weiterlesen bei ZDF heute

 

Pilotprojekt in Großbritannien:
Kleines Wirtschaftswunder dank Vier-Tage-Woche

08.03.2024 – Funktioniert eine Vier-Tage-Woche für Unternehmen und Angestellte? Ein Pilotprojekt in Großbritannien zieht ein positives Fazit. Von 61 Unternehmen wollen 54 das Arbeitszeitmodell fortführen.

weiterlesen bei Tagesschau

 

Forschung: Die Chancen einer 4-Tage-Woche

30.04.2024 – Die Einführung einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ist in Deutschland Gegenstand intensiver Debatten. Während Arbeitgeber, Verbände und Parteien sich eher skeptisch äußern, halten es fast zwei Drittel der Bundesbürger für eine gute Idee. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, für die über 2.000 Bundesbürger ab 18 Jahre repräsentativ befragt wurden.

weiterlesen bei Stiftung für Zukunftsfragen

 

Reichtum, Armut und die Demokratie

Reichtum ist in unser Gesellschaft strukturell mit kollektiver Armut verknüpft. Dies sagte Marlene Engelhorn, die fast ihr ganzes Erbe verschenkt. Wer ist diese Frau? Auf der anderen Seite geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Dies ist eine Gefahr für die Demokratie.

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay


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