Lützerath, Gutachten, Klimawandel und die Grünen

Tagebau Braunkohle in Deutschland Der Fall Lützerath macht einiges deutlich: die Klimabewegung fühlt sich verraten, die Parteispitzen der Grünen in Land und Bund reden den Deal des Braunkohleabbaus mit dem Energiekonzern RWE schön und der Klimawandel schreitet voran.

(Updates am 19.01.und 30.01.2023)

Fehlende Transparenz und Gutachten

Im Oktober führten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und RWE Gespräche, von denen nur ein ganz kleiner Kreis wusste. Was im Detail besprochen wurde, wird nicht veröffentlicht. Als Grundlage für das Abkommen im Oktober dienten Gutachten, die unter Zeitdruck erstanden. Den Gutachtern fehlte der Zugang zu wichtigen Fakten und etliche Aspekte konnten deshalb nicht geprüft werden.

Andere Gutachten, selbst eines des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommen zu ganz anderen Ergebnissen. Nach ihren Berechnungen steht ohne die ausgefallenen Lieferungen von Energie sogar mehr Kohle aus den bisherigen Abbaugebieten als benötigt zur Verfügung. Lützerath im Rheinland und Mühlrose in der Lausitz sind unnötig. Es wid demnach nicht genügend getan, um den Klimawandel zu stoppen.

Die Glaubwürdigkeit der Politik

Der Zusammenschluss von Wissenschaftlern „Scientists for Future“ empfahl in einem von über 500 Personen unterzeichneten offenen Brief an NRWs Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, die Wirtschaftsministerin Mona Neubaur sowie Innenminister Herbert Reul ein Räumungsmoratorium. Dies sollte dazu dienen, die Entscheidung zu überprüfen und der Welt, aber auch der Jugend zu zeigen, dass es der Politik ernst ist mit der Energiewende.

Der Gewinner ist RWE

Klimaschutz und die 1,5-Grad-Grenze waren offenbar kein Teil der Verhandlungen. So laufen die Kraftwerksblöcke Neurath D+E bis März 2024 (mit Option zur Verlängerung bis März 2025). Konservative Schätzungen kommen auf etwa 1 Mrd. Euro an Mehreinnahmen für den Konzern RWE.

Nur die Kraftwerksblöcke Niederaußem K und Neurath F+G gehen nicht erst Ende 2038 sondern Ende März 2030 vom Netz (mit Option zur Verlängerung bis Ende 2033).

Die Kohle dem Staat schenken

RWE will so schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen, will sich als grüner Konzern darstellen. Und dies, obwohl er enorme Gewinne mit der Kohleverstromung einfährt. Denn ein Weiter so würde Investoren abschrecken. Es gab bereits Gespräche mit der Bundesregierung über eine komplette Übertragung des Kohlegeschäfts an den Staat, etwa in Form einer Stiftung. Der Ukraine-Krieg hat diese Gespräche unterbrochen, aber man rechnet, dass sie bald weiter geführt werden. Schon ohne diesen geplanten Deal erhält RWE von der Bundesregierung 2,6 Milliarden Euro Steuergelder für den Ausstieg.

Der Konzern sichert versucht maximale Gewinne für sich heruaszuschlagen, egal in welche Richtung es für ihn geht. Neben diesem Versuch, mit dem Staat einen Deal für den Ausstieg zu machen, plant RWE offenbar auch nach 2030 weiter Kohle verbrennen. Einer Reserve von rund 50 Millionen Tonnen Braunkohle ist geplant. Ein vorgezogener Kohleausstieg wäre entweder nutzlos oder extrem teuer für den Staat.

Kommunen in NRW an RWE beteiligt

Jede fünfte Kommune in NRW sind abghängig von der Kohle bzw. RWE, haben sie doch Anteile am Konzern und verdienen gut dabei. Die Stadt Essen ist einer der größten kommunalen RWE-Aktionäre mit 20,3 Millionen Aktien.

Die Rechtslage zugunsten von RWE ist nicht endgültig vor Gericht geklärt

Es wird von Grünen auf die Urteile des OVG NRW vom 28.03.2022, Az. 21 B 1675/21 und 21 B 1676/21 verwiesen. Die Entscheiodungen über diese Grundabtretungen waren nach Auffassung des OVG rechtmäßig. Entscheidend in diesem Fall ist jedoch,  was mit der unter Lützerath liegenden Kohle passiert und nicht das Eigentum an den Grundstücken. Darüber hat das Gericht nicht entschieden.

Braunkohle ist der klimaschädlichste aller Energieträger

Je Tonne verfeuerter Rohbraunkohle wird unabhängig vom Wirkungsgrad der Kraftwerke unweigerlich eine Tonne des Treibhausgases Kohlendioxid freigesetzt, mehr als bei allen anderen Energieträgern. Deutschland ist das Land mit dem größten Abbau und Verbrennen von Braunkohle weltweit.

Die Energiewende zum Stoppen des Klimawandels steht offensichtlich nicht ganz oben auf der Tagessordnung. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird immer noch gebremst.

Die andere Energiequelle: die deutschen LNG-Terminals

Eine Studie warnt, dass die von der Bundesregierung geplanten elf Termnals überdimensioniert seien, den Steuerzahler  viel Geld kosten würde und Deutschlands Klimaschutzziele gefährde. Drei Terminals würden genügen. Hat es hier langfristige Zusagen an die Betreiber gegeben?

Die Grünen als Partei des Umweltschutzes

Mit Intransparenz, einem merkwürdigen Gutachten fehlender Gesprächsbereitschaft und Schönrederei wirkt die Politik unglaubwürdig und führt zu Wut. Bei manchen kann es gar zur Verzweiflung kommen, bis hin zu reiner Radikalisierung. Demokratie gibt es nicht von oben herab!

Da wird auch kaum eine bezahlte Anzeige in Google helfen, in der die Parteiführung ihr Verhalten zu rechtfertigen versucht (Artikel siehe unten). Es ist ein schmutziger Deal gewesen, der Konzern RWE verdient viel Geld und am Ende geht es soar noch um einen Umstieg ins Gasgeschäft, bezahlt vom Staat. (Video, verfügbar bis 26.01.2024)

Die Grünen müssen sich schnellstens zum Klimawandel positionieren, einen Fahrplan vorlegen.

Die Partei läuft Gefahr, dass sie bei Wahlen gewaltig an Stimmen an das Nichtwählerlager verliert. Weder mit Demokratie noch mit dem deutlich sichtbaren Klimawandel ist zu spaßen,.

 

Berichte, Gutachten und Artikel:

Partei an der Abbruchkante:
Wie Lützerath die Grünen spaltet

17.01.2023 – Im Hambacher Forst standen sie im Kampf gegen die Braunkohle noch Seite an Seite. In Lützerath fühlen sich die Protestierenden jetzt von der Klimapartei im Stich gelassen – auch Klimawissenschaftler widersprechen Klimaschutzminister Robert Habeck

Video der Sendung „Frontal“ anschauen (8 Minuten – verfügbar bis 17.01.2025)
https://www.zdf.de/politik/frontal/…

 

Kohleausstieg 2030:
Wie wichtig ist Lützerath für die Energiesicherheit?

12.01.2023 – Lützerath ist Teil des politischen Kompromisses zum Kohleausstieg 2030 in NRW. Welche Rolle Lützerath für die Energiesicherheit und Klimaschutzziele spielt, dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

weiterlesen https://www.riffreporter.de/…

 

Gutachten zum Kohlebedarf

Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
September 2022 – Gutachten „Braunkohleausstieg 2030 in Nordrhein-Westfalen“

weiterlesen (PDF) https://www.wirtschaft.nrw/…

Aurora Energy Research
22.11.2022 – Auswirkungen eines adjustierten Kohleausstiegs auf die Emissionen im deutschen Stromsektor Analyse für  Europe Beyond Coal

weiterlesen (PDF) https://www.bund-nrw.de/…

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
Stromversorgung auch ohne russische Energielieferungen und trotz Atomausstiegs sicher – Kohleausstieg 2030 bleibt machbar.

weiterlesen https://www.diw.de/…  als PDF https://www.diw.de/…

Kurzstudie im Auftrag von Europe Beyond Coal
August 2022 – Gasknappheit: Auswirkungen auf die Auslastung der Braunkohlekraftwerke und den Erhalt von Lützerath (Philipp Herpich, Catharina Rieve, Pao-Yu Oei, Claudia Kemfert 

weiterlesen (PDF) in einer Cloud https://vpro0190.proserver.punkt.de/…

 

Lützerath und legislative Spielräume im „geltenden Recht“ 

Es wird von Grünen auf die Urteile des OVG NRW vom 28.03.2022, Az. 21 B 1675/21 und 21 B 1676/21 verwiesen. Die Entscheiodungen über diese Grundabtretungen waren nach Auffassung des OVG rechtmäßig. Entscheidend in diesem Fall ist jedoch,  was mit der unter Lützerath liegenden Kohle passiert und nicht das Eigentum an den Grundstücken. Darüber hat das Gericht nicht entschieden.

weiterlesen https://verfassungsblog.de/…

 

„Scientists for Future“ – Wissenschaftler fordern Räumungs-Moratorium für Lützerath

11.01.2022 – Die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Ortes Lützerath für den Kohleabbau läuft seit diesem Mittwoch. Wissenschaftler sind dagegen.

weiterlesen https://www.forschung-und-lehre.de/…

 

Katrin Henneberger MdB:
EINE ANDERE WELT IST MÖGLICH!

Die Grüne Bundestagsabgeordnete Katrin Henneberger hat einiges zu Lützerath und die Einhaltung der 1,5°C-Grenze zusammengetragen und geschrieben

weiterlesen https://kathrinhenneberger.de/luetzerath/

 

Grüne Jugend:
„Wenn wir nicht handeln, macht es keiner“

17.01.2023 – Aktivisten der Grünen Jugend Ebersberg haben am Wochenende in Lützerath gegen den Kohleabbau protestiert. Wie sie die Demonstration erlebt haben – und warum Aufgeben für sie keine Option ist.

weiterlesen https://www.sueddeutsche.de/…

 

13.01.2023 – Ausgerechnet grüne Minister müssen die Zerstörung Lützeraths für den Kohleabbau mitverantworten. Die Grüne Jugend stemmt sich dagegen – und warnt vor den Konsequenzen.

weiterlesen https://www.t-online.de/…

 

Ein schmutziges Gechäft:
Was steckt hinter dem Deal mit RWE?

Kontraste, 26.01.2023 – Um die Versorgungssicherheit von Deutschland mit Strom zu garantieren, braucht es die Kohle unter Lützerath nicht. Das belegen wissenschaftliche Berechnungen. Das war ein Argument für die umstrittene Räumung des Dorfes. Und auch mit dem Argument der Grünen, ihr Deal mit dem Energieriesen sei gut für den Klimaschutz, hat der vorgezogene Ausstiegstermin aus der Braunkohle im Rheinischen Revier nicht viel zu tun. Denn Braunkohleverstromung wird ab 2030 wegen der immer teurer werdenden CO2-Zertifikate unrentabel. Was also steckt dann hinter dem Deal mit dem Energiekonzern RWE? Kontraste über ein teures und schmutziges Geschäft.

 

Warum RWE die Kohle lieber los wäre

11.01.2023 – Dem Energiekonzern RWE liegt nicht mehr viel an seinem Kohlegeschäft. Das Unternehmen hat sogar ein großes Interesse daran, sich eher früher als später von der Kohle zu trennen.

weiterlesen https://www.tagesschau.de/…

 

RWE will offenbar auch nach 2030 Kohle verfeuern

18.03.2023 – Der Energiekonzern plant mit einer Reserve von rund 50 Millionen Tonnen Braunkohle für seine Kraftwerke. Der vorgezogene Kohleausstieg wäre damit nutzlos.

weiterlesen (Bezahlschranke) https://www.zeit.de/…

 

Klimawandel NRW:
So profitieren Kommunen von klimaschädlicher Kohle

09.07.2021 – Mit Aktien und Konzernbeteiligungen hängen viele Kommunen an der Kohleindustrie. Eine Crowd-Recherche von CORRECTIV zeigt, dass jede fünfte Gemeinde und jeder zweite Kreis in NRW vom klimaschädlichsten Energieträger Kohle profitieren. Die ersten stoßen ihre Beteiligungen ab. Mit Liste der Kommunen.

weiterlesen https://correctiv.org/…

 

Bündnis 90/Die Grünen:
Lützerath und Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier

Grüne Anzeige zu Lützerath

Grüne Anzeige bei Google zu Lützerath

12.01.2023 – Wir haben den Braunkohleausstieg im Rheinischen Revier von 2038 auf 2030 vorgezogen. Rund 280 Millionen Tonnen Braunkohle bleiben damit gesichert im Boden. Fünf Dörfer und drei Höfe mit ihren Bewohner*innen konnten gerettet werden. Das ist ein Erfolg für die Menschen vor Ort, ein wichtiger Schritt für den Ausstieg aus den fossilen Energien – und hilft ganz konkret dabei, die Klimaziele im Energiesektor zu erfüllen.

Trotzdem gibt es aktuell auch deutlich hörbare Kritik zum Vorgehen. Wir verstehen das. Auch uns lassen die Bilder aus Lützerath nicht kalt, denn wir haben immer gegen die anhaltende Verfeuerung von Braunkohle gekämpft. Wir möchten deshalb dazu beitragen, den Dialog weiter konstruktiv zu führen. Hier findest du Antworten auf die wichtigsten Fragen.

weiterlesen https://www.gruene.de/…

 

Klimaschutz heißt Braunkohlenausstieg

Braunkohle ist der klimaschädlichste aller Energieträger. Je Tonne verfeuerter Rohbraunkohle wird unabhängig vom Wirkungsgrad der Kraftwerke unweigerlich eine Tonne des Treibhausgases Kohlendioxid freigesetzt.

weiterlesen https://www.bund-nrw.de/…

 

Spezifische Kohlen­dioxid­emissionen verschiedener Brennstoffe

Bei den verschiedenen fossilen Energieträgern entsteht bei der Verbrennung unterschiedlich viel Kohlendioxid. Die Werte dafür sind entscheidend für die Berechnung von Kohlendioxideinsparungen.

weiterlesen mit Tabellen https://www.volker-quaschning.de/…

 

Statt elf Gasterminals reichen drei

08.12.2022 – Die von der Ampel geplante neue Erdgas-Infrastruktur an der Küste ist völlig überdimensioniert und hebelt den Klimaschutz aus, zeigt eine heute veröffentlichte Analyse. Danach genügen anhaltende Einsparungen sowie drei schwimmende Terminals, um wegfallende Gaslieferungen aus Russland auszugleichen.

weiterlesen https://www.klimareporter.de/…

 


Bild von Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay


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