In seinem Land lebend, hat man eine andere Sichtweise auf Vieles in der Welt. Selbst wenn man zu anderen Kontinenten reist, so betrachtet man die Länder in der Regel mit den Augen des Weißen. Meist besucht man auch lediglich touristische Attraktionen, hat wenig Kontakt mit der Bevölkerung, um mehr über ihr Leben und ihre Kultur mitzubekommen.
Aber auch viele, die für eine Firma im Ausland tätig sind, verhalten sich selten anders. Sie bleiben unter ihresgleichen, Treffen finden in Top-Lokalen statt und sie reisen an touristisch bekannte Orte. Aber wenn man an die Orte geht, wo man die „normale“ Bevölkerung trifft, mit ihr ins Gespräch kommt, Freundschaften schließt, dann bekommt man mehr mit, versteht Situationen und Haltungen.
Tag des schwarzen Bewusstseins
Am 20. November ist im brasilianischen Bundesstaat São Paulo ein wichtiger Feiertag für die schwarze Bevölkerung, der „Dia da Consciência Negra“ (Tag des schwarzen Bewusstseins). Ich war wie schon häufiger auch dieses Mal bei der Demonstration „Marsch Zumbi dos Palmares“ dabei und lernte wieder einiges zu verstehen.
Hier geht es wie immer um den Rassismus, der zwar in Brasilien per Gesetz verboten ist, aber dennoch wird das Land von Weißen dominiert. Nur sehr wenige Schwarze schaffen es gesellschaftlich nach oben. Auf der Demo geht es den Menschen um ihre Rechte, um Gleichberechtigung. Angesprochen wird auch der einstige Sklavenhandel durch die Weißen bis hin zur Situation heute. Ich selbst habe schon Leute gehört, die sagten, dass sie nie eine Beziehung mit einem schwarzen Menschen eingehen würden. Dabei waren sie selbst keine „reinweißen“ Menschen. Als Weißer ist man halt mehr.
Palästina und Israel
Und auch der Krieg in Gaza wurde thematisiert. Wie ich aus einer Rede zu Beginn der Demo vernahm, geht es ihnen um die Leben der Palästinenser*innen. Die Taten der Hamas wurden nicht schön geredet, ebensowenig wurde Israel verbal angegriffen.
Es ist kein Antisemitismus!
Zur Sprache kommt ganz deutlich die Sicht der Schwarzen, in deren Land einst die Weißen eindrangen und die heute noch das Weltgeschehen bestimmen. Auch Israel wurde durch Weiße gegründet, mit der Hilfe Großbritanniens und Weiße bilden dort die Mehrheit. Palästinenser wurden damals von ihrem Land vertrieben und werden seitdem unterdrückt, leben in Armut. Und die Weißen beherrschen heute noch die Welt, geben die Regeln vor. Es geht den Schwarzen um Gerechtigkeit, um Gleichberechtigung. Ebensowenig spielt die Religion bei ihnen eine Rolle. Sie haben selbst verschiedene Religionen und respektieren diese.
Der Kapitalismus
„Kapitalismus funktioniert nicht ohne Sklaverei“ stand auf einem Plakat auf der Demo. Ist es nicht so, dass es immer darum geht, möglichst hohe Gewinne zu machen, andere immer mehr für möglichst wenig abeiten zu lassen? Und beim Lithiumabbau wird zum Beispiel in Argentinien und Bolivien indigenes Land an Konzerne verschachert, das durch die Rohstoffgewinnung austrocknet. Um zu überleben, werden auch diese Menschen dann jegliche Arbeit annehmen müssen, um zu überleben.
Sichtweisen
Sichtweisen werden durch das Umfeld und die Geschichte geprägt. So gibt es die der Israelis und die der Palästinser, wobei es natürlich auch bei beiden Unterschiede gibt. Es gibt Freundschaften zwischen Israelis und Palästinensern. Aber dort, wo die Menschen „isoliert“ leben, da bekommen sie nur die eine Sichtweise mit, wobei sich natürlich nicht alle radikalisieren. Dies kommt übrigens auch in Deutschland vor, wie wir vor Allem seit ein paar Jahren sehen können, beim Anwachsen des Rechtsextremismus.
Wir sollten einmal unsere Augen öffnen und auch andere Sichtweisen anhören, ohne Blockade im Gehirn und nicht in Schubladen denken.
Anmerkung: Das hier ist eine Darstellung der Sichtweise der Schwarzen in Brasilien und wohl auch woanders!
Ein paar Fotos vom 23. Marsch Zumbi dos Palmares:
Ergänzend zeigt auch die Friedrich-Ebert-Stiftung einiges über die Haltung der lateinamerikanischen Staaten auf:
Spirale der Frustration
02.11.2023 – Der Krieg in Gaza polarisiert auch in Lateinamerika. Eins ist klar: Vor den westlichen Karren will man sich nicht spannen lassen.
weiterlesen beim IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung
Ebenfalls ein etwas anderer Blick:
Wie steht es jetzt um die Solidarität zwischen jüdischen Israelis und Palästinenser:innen?
21.11.2023 – In der Vergangenheit waren es oft Linke auf israelischer und palästinensischer Seite, die Kooperation und Versöhnung im Nahostkonflikt forderten. Dann kam der Krieg. Wie steht es jetzt um die Solidarität zwischen jüdischen Israelis und Palästinenser:innen? Um diese Frage zu diskutieren, hat ze.tt die deutsch-palästinensische Journalistin Alena Jabarine und den israelischen Autor Tomer Dotan-Dreyfus zum Gespräch geladen.
weiterlesen bei Zett
Und nachlesen kann man gerne einmal bei der Bundeszentrale für politische Bildung:
14. Mai 1948: Staatsgründung Israels
Der Text gesamte Text lohnt sich zu lesen, aber hier ein paar Punkte daraus, die zeigen, dass es von Weißen ausging:
… „Als Begründer des politischen Zionismus gilt der in 1860 Budapest geborene Publizist Theodor Herzl“. Er hatte die zunehmend judenfeindliche Stimmung in Österreich während der 1880er-Jahre selbst erlebt.“…
… „Im Jahr 1896 veröffentlichte Herzl das Buch „Der Judenstaat“. In dem Werk legt er mögliche Grundlagen für die Gründung eines jüdischen Staates dar. Eine der denkbaren Optionen war für Herzl schon damals das Gebiet von Palästina. Zwei Jahre später, im Jahr 1897, initiierte er in Basel den ersten Zionistenkongress, auf dem die Zionistische Weltorganisation gegründet wurde. Auf dem Kongress wurde auch das Baseler Programm beschlossen, das bis zur Gründung des Staates Israel zum Leitfaden der zionistischen Bewegung wurde. Dort wurde die „Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina“ als Ziel definiert.“…
…“Schon 1917 hatte der britische Außenminister Arthur Balfour der zionistischen Bewegung in Großbritannien das Versprechen gegeben, in Palästina eine „nationale Heimstätte für das jüdische Volk“ zu schaffen. In Punkt 4 des Mandatstextes für Palästina von 1922 wurde die Schaffung einer solchen „Heimstätte“ als mögliche Zukunftsperspektive in Aussicht gestellt. Gleichzeitig hatte der britische High Commissioner in Ägypten, Henry MacMahon, dem Scherif von Mekka ein großarabisches Reich versprochen.“…
Das waren Weiße, zumindest für Araber und Afrikaner bzw. Schwarze weltweit. Und dazu kommt noch dieses am Ende falsche Versprechen an die Araber.
Fotos: eigene
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